Stadt Bausteine

Victor Stricker - Alte Stadt
Victor Stricker - Alte Stadt - 1997 - Öl auf Leinwand - 90x100 cm

Stadt Bausteine

Dass eine Stadt in der Regel aus Steinen gebaut wurde, Haus an Haus an Straßen entlang, die wiederum ein Gewirr oder einen systematisch angelegten Plan ergeben, dass Plätze und Parks wie Inseln hervorstechen, Kanäle oder auch ein Fluss das Ganze durchschneiden und wiederum ein Muster ergeben, leuchtet ein. Die Stadt Brandenburg wird von der Niederhavel und von mehreren Kanälen durchflossen, sie besteht aus drei mittelalterlichen Stadtkernen, um die sich die späteren Wohnviertel und Industrieflächen gruppieren. All das ist am besten auf einem Stadtplan oder aus der Vogelperspektive zu erkennen.

Künstler sind auch analytische Menschen. Sie nehmen etwas auseinander, zerlegen es, setzen es im Zweifel anders wieder zusammen. Sie konstruieren, entwerfen und komponieren. Schon von einem Kirchturm, auch vom Marienberg, ja selbst von einem Fabrikschornstein aus bietet sich die Dachlandschaft der Stadt wie ein Mosaik dar. Aber auch ein Stadtplan selbst kann zu künstlerischen Ideen mit topografischem Bezug inspirieren.

Werner Gottsmann - Triptychon Brandenburg
Werner Gottsmann - Triptychon Brandenburg - 1986 - Öl auf Leinwand - 116x295 cm

Arnold Topp und Curt Ehrhardt haben beide ganze Serien von „Stadtlandschaften“ gemalt, die ihre örtliche und geistige Nähe belegen. Beide Maler schufen zahlreiche bildfüllende kubistische Kompositionen aus geometrischen Formen und wählten die Nacht und den Mond als beherrschendes Motiv. Werner Gottsmann und Viktor Stricker nahmen die markanten Sehenswürdigkeiten der Stadt in der Tradition der Stadtvedouten auf und verarbeiteten sie in ambivalent überhöhter, fast sakraler Weise.

Einen ganz anderen Blick wirft Horst Wall mit seiner Installation „Stadt III (Metallstadt)“ aus dem Zyklus „Metamorphosen einer mittelalterlichen Stadt“ 1983 auf die Veränderungen in der Stadt. „Metallstadt“ ist eine Metapher für die Stahlindustrie, die Topografie und Gesellschaft der Havelstadt vollkommen veränderte. Die Bildkomposition legt ein an den Stadtgrundriss angelehntes Objekt aus Zinkblech ins Zentrum eines Kreuzes, das Farbenspiel mit den Hauptkomponenten Rot und Blau zitiert die beiden Hauptelemente Feuer (im Stahlwerk) und Wasser (in der Havel). Überliefert ist der Grundgedanke Walls zu diesem Zyklus: „Meine Stadt stirbt an der Mauer“. Die Mauer, die in zwei Ebenen die Komposition umschließt, sah Wall ebenfalls zweifach. An der Stadtmauer starb die Altstadt bereits in ersten Abrisswellen, die „Mauer“ in den Köpfen und an der Grenze schloss freien künstlerischen Austausch mit der westlichen Kunst aus.

Auch Jutta Pelz zitiert in ihren „Raumsendungen“ mit rotem Faden topografische Details aus Variationen des Brandenburger Stadtplans. Die als Orientierungspläne getarnten Anagramme mit aufgenähtem Wäscheband und Wortspielereien aus dem Ortsnamen verursachen hintersinnig geplante Orientierungslosigkeit. Nichts von dem, was man von einem Stadtplan erwarten könnte, wird eingehalten. Der „Rote Faden“ manifestiert Wege durch die Stadt, die bei genauem Hinsehen ins Nirgendwo und wieder zurück führen. Sie erinnern an den Faden der Ariadne, mit dem sich Theseus aus dem Labyrinth des Minotaurus befreite. Auf mehreren Ebenen wird der Betrachter in die Irre geführt, und selbstverständlich führt diese Verirrung genau dazu, dass er sich dennoch fragt, wo genau dieser Ausschnitt von Brandenburg nun liegen könnte.