Ausblick Einblick

Curth Ehrhardt - Weihnachtsmarkt
Curth Ehrhardt - Weihnachtsmarkt - 1948 - Öl auf Leinwand - 87x107 cm

Ausblick Einblick

Der alltägliche Blick aus dem Atelier- oder Wohnungsfenster ist ein bekanntes Motiv in der Kunst. Unterschiedliche Tages- und Jahreszeiten und Stimmungen wie beispielsweise die Abendsonne verändern den Raum hinter dem Fenster. Spiegelungen und Lichtreflexe im Fenster sind wiederum eine ganz eigene Entdeckung, sie sind wie eine zweite Ebene, die nur im Zusammenhang mit dem Fensterglas sichtbar wird. So wird der Blick aus dem Fenster ein sehr intimer und privater Blick. Er wird auch durch unterschiedliche innere Stimmungen geprägt. Fast alle Künstler haben diesen Blick gemalt und damit auch ihr eigenes Erleben und Empfinden festgehalten. Sie geben mehr von der Persönlichkeit der Malerin oder des Malers wieder als nur den zufälligen, vom Fensterrahmen vorgegebenen Ausschnitt. Ausblicke erweitern den Horizont, Einblicke erweitern die Erkenntnis.

Curt Ehrhardts Blick in das Geschäft seines Friseurs, durch dessen Scheiben die Wintersonne scheint und ein Bild aus Reflexen und Spiegelungen entsteht, soll nach mündlicher Überlieferung in der Steinstraße verortet sein. Dem Symbolismus Ehrhardts entsprechend scheint „Freund Hein“ nicht der Name des Friseurs zu sein, sondern ein sprachliches Synonym für den Tod. Die an Blutspritzer erinnernden roten Lichtreflexe auch am Rasiermesser und das verzerrte Spiegelbild legen hier eine der typischen Ehrhardtschen Fantasien durchaus nahe. Ganz anders die beiden Blicke aus seinem Atelierfenster am Neustädtischen Markt: Auf dem 1948 entstandenen „Weihnachtsmarkt“ fällt warmes Licht aus einem Pavillon, der von dem dunklen, zentral auf dem Platz stehenden Baum überragt wird. Im kaltweißen Licht der Straßenlaternen wird Schneetreiben erkennbar. Die erleuchteten Fenster der den Platz einfassenden Gebäude scheinen aus dem dunklen Hintergrund, fröstelnde Besucher gehen ziellos umher. Das Bild ist voller Widersprüche, das ruhende Zentrum wird von Bewegung durch konturierte Farbzonen und das Astgewirr des Baumes eingerahmt, starke Kontraste entstehen durch das Nebeneinander warmer und kalter Farbtöne. So drängt sich der Eindruck auf, der Maler glaube selbst noch nicht an die friedliche Botschaft, die der Weihnachtsmarkt ihm drei Jahre nach Kriegsende vermitteln könnte.

Jan Beumelburg - Neustädtischer Markt II
Jan Beumelburg - Neustädtischer Markt II - 1993 - Kohle und schwarzer Buntstift auf Papier - 42x59,5 cm

Ganz in der Nähe hatte auch Jan Beumelburg in den 1990er Jahren sein Atelier. Die Fensterfront seiner ersten Wohnung am Neustädtischen Markt 3 ging auf das abgeräumte Gelände hinaus, auf dem sich bis Kriegsende das gotische Rathaus der Neustadt befunden hatte. Nun war es ein großer Parkplatz, umrahmt von unterschiedlichsten Häusern, mit ständigem Kommen und Gehen, mit Abfahren und Ankommen, mit Geschäftigkeit. Auffallend auf den Zeichnungen sind jedoch die Öde und die Abwesenheit von Personen, nur einmal eilen zwei Gestalten über den Platz, fast flüchtend. Die einzige Dynamik wird durch die Zeichentechnik ausgedrückt. Die Zeichnungen sind in einem sehr expressiven, schwarz-weiß kantigen Stil gehalten. „Vielleicht ist es das Werk von Max Beckmann, das hier innerlich Pate gestanden hat, dessen Malerei und Grafik ich sehr schätze und in dessen Heimatstadt Frankfurt ich für kurze Zeit wohnte,…“ sagt Beumelburg.

Horst Wall - Blick vom Steintorturm
Horst Wall - Blick vom Steintorturm - 1972 - Öl auf Hartfaser - 78,5x58,5 cm

Günter Wernbter - Hauptstraße in Brandenburg
Günter Wernbter - Hauptstraße in Brandenburg - um 1970 - Öl auf Hartfaser - 60x45 cm

Günter Wermbters Atelier lag hinter dem ehemaligen Kino „Meteor“ in der Hauptstraße. Der Bildausschnitt lässt den Betrachter zum stillen Beobachter einer belebten Straßenszene werden. Das nach außen gebogene Reklameschild, die Straße mit den Passanten und ein leuchtend blauer Himmel rahmen die Fassade eines im Bildzentrum stehenden, in allen Gelbtönen leuchtenden Hauses ein. Wermbter nutzt alle Töne einer Farbe, legt Farben teilweise in Schichten übereinander und kratzt sie zur Strukturierung dann auf. Er entwickelt zum Beispiel die Palette von Gelb direkt in der Fläche der Hausfassade, wodurch diese sehr lebendig wird. Wie beispielsweise schon Cézanne nutzt er das Blau gern zur Konturierung. Der in Dresden ausgebildete Maler, der zunächst als Maschinenschlosser gearbeitet hat, schöpft aus der malerischen Tradition fauvistischer Vorbilder und ist möglicherweise auch von den Städtebildern Kokoschkas beeinflusst.